Es ist Freitag, der 13. November 2020, ein wunderschöner Herbsttag. In den letzten Tagen fuhren meine Gefühle Achterbahn. Wann würde die Geburt beginnen? Bin ich schon bereit? Ja, ich bin bereit! Ich spreche viel mit meiner Bauchmaus. Schon seit Wochen habe ich immer wieder Kontraktionen. Ich hätte nicht erwartet, den errechneten Entbindungstermin überhaupt zu erreichen. Doch da war er nun gekommen. Und es ging mir gut. Ich habe meine Gefühle sortiert und die Situation angenommen.
Nach einem schönen und anstrengenden Tag liege ich um 20.30 Uhr endlich auf der Couch. Das tut gut. Keine 5 Minuten später höre ich innerlich einen Knall und weiß sofort: das war meine Fruchtblase. Mit den Worten „Oh, meine Fruchtblase ist geplatzt“ hüpfe ich galant von der Couch. Schwupps, ich werde nass und hatte offensichtlich recht. Plötzlich überkommt mich dann doch ein Gefühl von Nervosität. Wie wird es nun weitergehen? Wann, wie und wo wird die Bauchmaus schlüpfen? Wie geht es mir dabei? Wie geht es meinem Mann und meinem schlafenden Kind? Also Gedanken sortieren und nasse Kleidung ausziehen. Ich gehe erst einmal duschen. Unter der Dusche bekomme ich Kontraktionen…eine…atmen…5 Minuten später die zweite…atmen…oha, geht es etwa schon los? Die nächste wieder 5 Minuten später…atmen…ich glaube schon. Ich fühle es. Ich bitte meinen Mann, Sonia meine Doula anzurufen. Sie soll sich bitte auf den Weg machen. Es geht los. Die Intensität der Wellen überraschen mich, ich bin weiterhin ziemlich aufgeregt und ich wünsche mir ihre Unterstützung. Wir machen die Heizung im Geburtszimmer an und machen es uns erst einmal im Wohnzimmer gemütlich. Ich wünsche mir Musik, dimme das Licht und habe das Bedürfnis, im Wohnzimmer auf und ab zu spazieren. Die Wellen kommen weiterhin ungefähr alle 5 Minuten, ich bleibe stehen, atme und kreise mein Becken. Etwa eine Stunde nach dem Blasensprung, rufe ich Dimitra, meine Hausgeburtshebamme, an. Sie macht sich auf den Weg, um mich und die Bauchmaus zu untersuchen und eventuell zu bleiben. Die Kontraktionen sind weiterhin regelmäßig, ich schaue nicht mehr auf die Uhr. Dimitra und Sonia kommen fast gleichzeitig an. Hier im Wohnzimmer ist die Stimmung entspannt, ich habe Zeit für Smalltalk, lache, spaziere auf und ab und atme.
Gegen 23.00 Uhr bitte ich meinen Mann, den Geburtspool vorzubereiten. Ich bin gespannt und klettere eine halbe Stunde später in den Pool. Dimitra und Sonia machen es sich währenddessen im Wohnzimmergemütlich. Sie spüren, dass wir sie gerade nicht brauchen. In meinem Geburtszimmer, dem eigentlichen Arbeitszimmer, ist es gemütlich. Ich habe mir Affirmationskarten aufgehängt, ein Bild meines Ortes der Ruhe und der Kraft gezeichnet, Kerzen flackern und es duftet nach Lavendel. Im Geburtspool fühlt es sich gut an. Ich bewege mich intuitiv, kreise mein Becken, kippe es auf und ab. Ich atme. Lasse los. Zwischen den Wellen entspanne ich, nicke richtig ein. Mein Mann hat es sich neben mir auf der Couch gemütlich gemacht. Er gibt mir Sicherheit, mehr kann, soll und muss er nicht tun. Dimitra und Sonia im Wohnzimmer geben mir Sicherheit. Ab und zu steckt Dimitra den Kopf ins Zimmer und fragt, ob sie einmal die Herztöne hören darf. Das darf sie. Gleichzeitig sieht sie, dass es uns gut geht. Die Herztöne sind super. Ich habe nichts anderes erwartet. Ich habe Vertrauen. Irgendwann…es muss so gegen 02.00 Uhr gewesen sein, werden die Wellen unangenehm. Ich bitte meinen Mann um seine Hand, ich muss mich festhalten. Schon kommt Dimitra zu uns. Man konnte hören, dass die Kontraktionen sich verändert haben. Nach kurzer Zeit sage ich, dass es mir nun reicht und ich keine Lust mehr auf die Kontraktionen habe. Ich frage Dimitra, ob es sich etwa um die fiese 8 cm Muttermund Phase handelt. Mein Mann lacht noch heute über diese Frage in dieser Situation. Sie lächelt mir aufmunternd zu und sagt „sie wisse es nicht, vielleicht“. Meinen Muttermund hatte sie bis dahin nicht untersucht und nicht untersuchen müssen. Kurze Zeit später holt Dimitra Sonia dazu und ruft Frieda, als zweite Hebamme an. Für mich überraschend verspüre ich den Drang zu pressen und teile Dimitra dies ungläubig mit. Sie fragt mich, ob sie meinen Muttermund untersuchen soll. Ich bejahe dies und siehe da: mein Muttermund ist vollständig geöffnet. Die Bauchmaus wird bald schlüpfen. Die Wellen , das Pressen, die Intensität und die Kraft überraschten mich erneut und ich flehe meinen Körper nach einer Pause an. Ich brauche eine Pause, bitte. Ich muss atmen. Kurz fühlt es sich an als würde ich ertrinken. Ich bekomme keine Luft, die Wellen kommen so schnell, sie sind so kräftig. Ich habe keine Angst, ich brauche einfach eine kurze Pause. Und die schenkt mir mein Körper. Mit neuen Kräften kann es weiter gehen. Mittlerweile halte ich mich an Sonias Händen fest, während mein Mann sich auf die Couch zurück gezogen hat. Meine Bauchmaus bahnt sich ihren Weg durch meinen Körper und das spüre ich. Die Wellen sind kraftvoll und schütteln mich regelrecht durch und ja, zu dem Zeitpunkt habe ich Schmerzen. Ich spüre, dass ich mich öffne. Die Intensität der Wellen überraschen mich immer wieder und ich sage zwischendurch immer wieder zu mir selbst „atmen…atmen…atmen…ich lasse los…ich entspanne mich“. Ich schaue zu Sonia, sie nickt und lächelt liebevoll. Sie schaukelt meine Arme, die sich zwischendurch verspannt haben. Dann sehe ich zu Dimitra. Sie bestärkt mich. Ich mache das gut. Auch sie lächelt, ist voller Vertrauen und Zuversicht. Auch Frieda ist schon da. Sie sitzt im Hintergrund, ich habe sie erst gar nicht bemerkt. Auch sie lächelt mir einfach nur liebevoll zu. Dimitra lädt mich dazu ein, den Kopf meiner Bauchmaus zu berühren. Das soll der Kopf sein? Ja, das ist der Kopf! Bald ist sie da. Die Stimmung ist ruhig und entspannt. Der Raum so gemütlich. Lediglich mein…sagen wir…animalisches brüllen während der Wellen durchdringt die angenehme Stille. Mit den nächsten paar Wellen wird meine Bauchmaus geboren. Dimitra hilft mir, sie in den Arm zu nehmen. Ich bin erschöpft und glücklich. Mein Baby ist da. Linda. Schon im nächsten Moment stillt Linda noch im Pool und die Plazenta wird geboren. Es ist vollbracht. Ich habe mein Baby selbstbestimmt und intuitiv zu Hause geboren. Zu dritt kuscheln wir, während Linda und ich noch im Pool sitzen.
Der große Bruder schläft währenddessen seelenruhig.