Liebe Marlen,
endlich komme ich mal dazu, dir einige Zeilen über die Geburt unseres kleinen Johannes zu schreiben.
Nachdem sein errechneter Geburtstermin am 06.12.2020 überschritten war, musste ich in der ersten Woche alle 2 Tage zum Frauenarzt zur Kontrolle und am 13.12. erfolgte die erste Vorstellung zur Kontrolle im UKE. Es war stets alles unauffällig – Mutter und Kind waren tiefenentspannt, die Kuchenzutaten im Haus – wir waren also vorbereitet. Von meiner Hebamme hatte ich zusätzlich Zimttee und Nelkentampons verordnet bekommen und nachdem mehrere Freunde und Bekannte die positive Wirkung des Fensterputzens erwähnten, machte ich sogar das (allerdings beschränkte ich mich auf ein Raum 😉). Leider waren alle Bemühungen ohne Erfolg, sodass ich bei der Kontrolle am 15.12. über die verschiedenen Möglichkeiten einer Einleitung aufgeklärt wurde und für den kommenden Tag zur stationären Aufnahme einbestellt wurde.
Am 16.12. brachte mich mein Mann dann morgens ins UKE und nach kurzer Wartezeit und CTG begannen wir die medikmentöse Einleitung. Die ersten Wehen stellten sich kurz nach Mitternacht am 17.12. ein und hielten mich leider die ganze Nacht vom schlafen ab. Entsprechend müde war ich morgens, freute mich aber, dass die Abstände der Wellen bereits im 3 Minuten Takt kamen und alle waren recht zuversichtlich, dass es bald richtig losgehen wollte. Die Hebamme der Frühschicht besprach mit den Ärzten vorerst auf weitere Medikamente zu verzichten. Martin brachte mir Frühstück lund wir waren frohen Mutes, dass er gar nicht mehr nach Hause gehen muss.
Leider wurden die Abstände aber dann doch wieder größer und ich erhielt ab dem späten Donnerstag Vormittag wieder die Tabletten zur Einleitung. Die Wellen kamen zwar regelmäßig, waren aber nicht wirksam um den Muttermund zu eröffnen. Durch den Schlafmangel der Vornacht, verbrachte ich den kompletten 17.12. fast im Bett und dämmerte immer so vor mich hin. Ich hätte es nie gedacht, aber ich wollte und konnte einfach nicht aufstehen – jeder Gang zur Toilette war fast zu viel. Außerdem hatte ich überhaupt keinen Appetit und schaffte an dem ganzen Tag einen Müsliriegel und 3 Löffel Müsli zum Frühstück – also eigentlich nicht die besten Voraussetzungen den begonnen Marathon an diesem Tag noch zu beenden.
Eigentlich wollte ich nur Ruhe und schlafen…
Gegen 19 Uhr kam die Hebamme um mich erneut zu untersuchen und da hatte ich es tatsächlich bis zu 7 cm Muttermund geschafft. Endlich durfte Martin wieder kommen und wir zogen in den Kreißsaal um.
Ich hatte Glück, denn es war einer mit Badewanne frei, und da ging es für mich direkt hinein. Die Wellen kamen dadurch zwar wieder in etwas größeren Abständen, aber die Entspannung tat mir so unglaublich gut um Kraft zu sammeln. Ich schaffte es, dank Martins Hilfe, die Wellen meist gut wegzuatmen, auch wenn es mich manchmal überkam und ich musste dann schon mit pressen. Aber Martin erinnerte mich immer wieder an das Atmen und zählte teilweise unseren trainierten Rhythmus (10x ein, 10x aus) für mich mit. Das half natürlich sehr und unterstütze mich wahnsinnig. In den Pausen machten wir gemeinsam die Ruheatmung oder ich dämmerte ein bisschen weg. Nach 2 Stunden in der Badewanne hatten wir uns zu einem vollständigen Muttermund geatmet und wie du es prophezeit hattest, wurde die Handtücher bereitgelegt und die Wärmelampe eingeschaltet – es sollte jedoch noch etwas dauern bis wir das brauchten. Da die Abstände der Wellen jedoch noch zu groß waren, schicke mich unsere tolle Hebamme auf die Toilette und wollte schauen, ob sich die Wellenabstände an „Land“ verkürzten.
Die nächsten 1,5 Stunden probierten wir allerlei verschiedene Positionen (Stehen, Liegen, Seitlage, Beine angezogen usw.) aus, um die Wellenabstände zu verringern – leider alles ohne Erfolg, sodass ich dann noch mal einen Wehentropf (Oxytocin) erhielt. Johannes zeigte immer kurz sein kleines Köpfchen, rutschte dann aber zurück ins Becken. Unsere Hebamme erklärte uns dann, dass sie 2 Stunden nach vollständigem Muttermund immer einen Arzt hinzuziehe und ich fragte aktiv, ob wir nicht mit dem Kristeller Griff beginnen können, bevor es zu einer VE kommt. Es kam der Oberarzt Dr. Glosemeyer hinzu und nachdem unsere Hebamme ihm kurz die Eckdaten geschildert hatte, erklärte er uns, was er in der nächsten Welle tun werde und sagte auch, dass das einige Frauen als sehr unangenehm empfinden und ich das dann bitte direkt artikulieren solle. Die nächste Welle rollte heran, Dr. Glosemeyer griff nach dem Tuch neben mir und drücke den Popo von Johannes sanft mit nach unten. Letztlich hat es noch 3 Wellen mit Unterstützung gebraucht, bis Johannes auf meiner Brust lag und wir unser kleines Engelchen endlich am 18.12.2020 um 01:01 Uhr begrüßen konnten.
Sowohl Martin, als auch ich haben die komplette Zeit im Kreißsaal als unglaublich angenehm, professionell und sehr vertrauensvoll empfunden. Es war genau die richtige Mischung aus Unterstützung und Momenten der Ruhe die wir für uns hatten und brauchten.Wir hatten ein ganz tolles Team, was sich im Hintergrund auf alles vorbereitet hatte und dabei aber super ruhig und entspannt auf uns gewirkt und agiert hat. Die Unterstützung mittels Kristeller Griff haben wir beide eher als positiv Erfahrungen empfunden, was aber sicherlich auch an der Ruhe und Unaufgeregtheit der Hebamme und des Oberarztes lag.
Da ich keine PDA hatte, durften wir nach der Geburt erstmal ganz lange kuscheln, bevor mein kleiner Dammriss und hoher Scheidenriss versorgt wurde. Trotz regelmäßiger Dammmassage blieb das nicht aus, aber vielleicht wäre es ohne noch schlimmer gewesen.
Ich wurde sowohl von meinem Mann, als auch von unserer Hebamme sehr gelobt, wie toll und entspannt die Geburt verlief und ich es tatsächlich fast die ganze Zeit geschafft habe, die erlernten Atemtechniken anzuwenden. Auch unsere Wochenbett-Hebamme war erstaunt, dass ich diesen Marathon von über 24 Stunden Wehen ohne Medikamente und PDA geschafft hatte und mich dafür gelobt. Eigentlich hat es sich die ganze Zeit angefühlt, als wäre ich gar nicht anwesend – irgendwie eine völlig surreale Situation – Martin hat immer versucht mich an meinen „Happy Place“ zu schicken.
Letztlich hatte ich es mir alles etwas anders gewünscht (keine Einleitung) und über 24 Stunden Wehen wären jetzt auch nicht meine Traumvorstellung gewesen, aber wir gehen trotzdem mit nur positiven Erlebnissen aus diesem besonderen Lebensereignis heraus. Wir haben uns im UKE super wohl und aufgehoben gefühlt.
Durch die lange Austreibungsphase hat mein Beckenboden doch sehr gelitten, auch wenn ich viel liegen konnte. Nichtsdestotrotz hoffe ich auf einen Rückbildungskurs bei euch, der dann ab Anfang Februar hoffentlich wieder in Präsenz stattfinden kann.
Bis dahin lernen wir uns kennen und kuscheln ganz viel!
Liebe Grüße,
Tina Liebscher